Andreas Brandt (1935, Halle/Saale, DE – 2016, Niebüll, DE) gehörte in seiner konsequenten Reduktion auf gerade, gleich breite Linien oder Streifen auf monochromem Hintergrund zu den asketischsten deutschen Konkreten. Schon früh von der modernen amerikanischen Malerei inspiriert, insbesondere von Barnett Newman und Ad Reinhardt, entwickelte er eine eigenständige ungegenständliche Bildsprache mit einer Flächengestaltung, die sich auf das Wesentlichste konzentriert. Er beschäftigte sich mit der systematischen Verteilung von farbintensiven und schwarzen oder grauen Linien auf weissem Grund, mal in Quer-, mal in Hochformaten. Nach seiner Umsiedlung nach West-Berlin 1955 studierte Brandt bis 1961 bei Ernst Schumacher an der Hochschule für bildende Künste Berlin. Anschliessend arbeitete er als freier Maler und war von 1982 bis 2001 Professor für Textildesign an der Hochschule für bildende Künste Hamburg. Seit Anfang der 1970er-Jahre verknappte der Künstler sein Formenrepertoire auf Rechtecke, die vielfach als schmale Farbbahnen angelegt sind. Zuweilen dynamisierte er das Bildgeschehen durch diagonale Setzungen. In den späten 1980-Jahren entwickelte er eine harmonisch ausgewogene Sprache.
Repräsentativ für Brandts stringentes, unverwechselbares Werk steht «Dunkelblau-Grau-überkreuzt», 1991. Das Werk besticht nicht nur durch die proportional gegliederten Streifen und einen dezenten Farbenkanon, sondern birgt eine stille Poesie und eine Weiträumigkeit suggerierende Leerfläche. Das Gliederungssystem aus dezent-hellgrauen, vertikal verlaufenden Streifen, die von dunkelblauen und breiteren horizontalen Streifen überkreuzt sind, versetzt die Komposition in einen scheinbar schwebenden Zustand. Durch das Zusammenspiel der Formelemente wird die Komposition rhythmisiert. Wenn der Betrachter vor dem Werk hin- und hergeht, verändern sich die Farbwirkungen wie ein Klang, der sich vibrierend im Raum ausbreitet. Auf diese Weise wird das Gefüge visuell in Bewegung versetzt. So ereignet sich im gerahmten Werk eine Öffnung der Fläche durch Klangfolgen, Rhythmus und Bewegung.
Andreas Brandt war es ein Anliegen, die Welt des Bildes zu betonen. Mit den Mitteln des Bildes verband er rationale Gestaltungsprinzipien mit Rhythmus und Klängen, sodass man zuweilen vermeint, eine Bach’sche Etude zu vernehmen. Sein zentrales Thema war «das Bild als Bild mit den Mitteln des Bildes», wie er 1970 in einem Faltblatt der Berliner Galerie Diogenes ausführte: «material ist die fläche, sind die farben. es gilt, die fläche – in ihrer begrenzung und ausdehnung – durch farbe in bewegung zu bringen. raum, autonomen bildraum zu schaffen. ordnungen zu finden […]. die fläche selbst als ein gestaltungsmittel ansehen. farbe, unabhängig vom stofflichen […] als fundamentalen bildnerischen wert nehmen.»
Dominique von Burg