Florian Dombois (1966, Berlin, DE) befasst sich in seinem konzeptuell und interdisziplinär geprägten Kunstschaffen seit den 1990er-Jahren vielfach mit der Darstellung seismologischer Phänomene. Im Fokus des studierten Geophysikers stehen Modelle, Landformen, seismische und tektonische Aktivitäten, wissenschaftliche und technische Fiktionen in unterschiedlichen Medien und Formaten. Sein Repertoire umfasst sowohl Klang- und Rauminstallationen als auch Happenings und Performances.
Eigens für das Museum Haus Konstruktiv realisierte Dombois 2014 eine auf das Haus zugeschnittene Version seines Klangprojekts «Angeschlagene Moderne», in der er den Optimismus und die lineare Entwicklung der Moderne anzweifelte. Die Basis für seine akustische Auseinandersetzung mit unserem konstruktiv-konkreten und konzeptuellen Erbe bildeten Objekte und Skulpturen aus der museumseigenen Sammlung, und zwar ausschliesslich Werke von Künstlerinnen und Künstlern, die vor 1960 geboren wurden. Unter Berücksichtigung der konservatorischen Massgaben wählte Dombois 23 Arbeiten aus, die er mit einem Mallet anschlug. Die Eigenschwingungen der Objekte, deren Klangspektrum je nach Materialität variiert, wurden mit einem Kontaktmikrofon abgehört, aufgenommen und danach im Aussen- und Eingangsbereich des Museums abgespielt. Nach einem computergesteuerten Programm ertönte viertelstündlich eine zufällige Komposition der 23 Samples, die die Zeit – wie eine Kirchenglocke – in messbare Einheiten unterteilte.
Ausgehend von der orts- und sammlungsspezifischen Klanginstallation von 2014 hat Dombois eine Sonderedition herausgegeben, von der sich ein Exemplar heute im Besitz des Museums befindet. Diese Arbeit besteht aus einer 7-Zoll-Schallplatte, die die 23 Samples der damals angeschlagenen Sammlungswerke trägt, einem im Tiefdruckverfahren hergestellten Abdruck des Tonträgers auf Büttenpapier sowie einer Begleitpublikation. Mit «Angeschlagene Moderne» hat Dombois den Versuch einer alternativen Rezeption der Moderne formuliert: eine Veränderung der Wahrnehmungsperspektive durch die Verschiebung vom Sicht- ins Hörbare – und mit der Edition wieder zurück.
Eliza Lips