Gianni Colombo (1937, Mailand, IT – 1993, Melzo, IT) war einer der bedeutendsten Vertreter der kinetischen Kunst in Italien. Mit seinen Objekten und Installationen trug er wesentlich zur Erweiterung des Kunstbegriffs in den 1960er-Jahren bei. 1959 gründete er mit gleichgesinnten Künstlern in Mailand die Vereinigung Gruppo T. Das «T» steht für «tempo», also «Zeit», und verweist auf das Anliegen der Gruppe, das Kunstobjekt mittels Bewegung und Variabilität in das Raum-Zeit-Gefüge einzubinden.
Colombo hatte von 1956 bis 1959 an der Accademia di Belle Arti in Mailand studiert und trat 1959 mit seinen ersten kinetischen und veränderlichen Objekten an die Öffentlichkeit. So konnte in einigen seiner frühen Werkreihen das Publikum selbst die jeweiligen Skulpturen und Reliefs durch einfache Handgriffe variieren: Bei den «In-Out»-Objekten etwa konnten einzelne Elemente eines Punkt- oder Linienrasters eingedrückt und damit die Oberflächenstruktur neu gestaltet werden. In anderen Serien wurde die Modifikation der Objekte, die oft auf einem geometrischen Formenvokabular aufbauten, mechanisch angetrieben. Ab 1964 konzentrierte sich Colombo zunehmend auf Fragen der räumlichen Wahrnehmung und gestaltete seine «Ambienti»: betretbare Räume mit schiefen Böden und Säulen («Architetture cacogoniometriche») oder Treppen mit nicht rechtwinkligen Stufen («Bariestesie»). Vielbeachtet waren auch seine raumgreifenden «Spazi elastici» – dunkle Kabinen, durchspannt von einem UV-Licht reflektierenden Fadenraster, dessen rechtwinklige Struktur sich mechanisch betrieben deformiert und so den gesamten Raum scheinbar verzerrt. Mit einem solchen «Ambiente» gewann Colombo 1968 auf der 34. Biennale von Venedig den ersten Preis.
Die Werke der Sammlung Museum Haus Konstruktiv sind gute Beispiele dafür, wie im Werk von Colombo das Kinetische mit optischen Effekten gepaart ist: Wird die «Roto-Optic» in Gang gesetzt, so verwandelt die rasche Drehbewegung der schwarzen Grundscheibe die zwei aufgesetzten Stäbchen mit den Farbpunkten (scheinbar) in eine Form aus mehreren sich überlagernden Ellipsen. Die «Strutturazione acentrica» ist ein Zylinder, aufgebaut aus Röhrchen mit quadratischem Querschnitt. Jede Röhrchenebene ist gegenüber der darunterliegenden leicht um die Zylinderachse gedreht, sodass das Objekt als Ganzes, wird es in Rotation versetzt, zu unterschiedlichen Zeitpunkten an verschiedenen Stellen Durchblicke ermöglicht – ja, das Durchblickmoment scheint wie eine Lichtschiene von oben nach unten zu wandern.
Deborah Keller