Jean Legros (1917, Paris, FR – 1981, Malakoff, FR) zählt zu den wichtigsten, infolge seines zeitweise zurückgezogenen Lebensstils aber auch etwas verkannten französischen Koloristen seiner Generation. Aufgewachsen in Künstlerkreisen, befasste er sich autodidaktisch schon früh mit Malerei, absolvierte dann jedoch ein Studium der Philosophie, Psychologie, Soziologie und Ästhetik, das er 1940 abschloss. Seine persönliche Situation während des Krieges entfernte ihn von der Kunst, und erst 1946 – nach längerer Tätigkeit als Schäfer – nahm er mit raschem Anschluss an die École de Paris die Malerei wieder auf. 1957 distanzierte er sich abermals vom Kunstgeschehen und erneuerte in aller Abgeschiedenheit seine Praxis. Er gestaltete unter anderem geometrisch reduzierte Kompositionen (1958), Abstraktionen in vergeistigtem Blau (1963–1964) und schliesslich eine Reihe farbloser Reliefs (1966–1969), zu denen ihn freundschaftliche Kontakte zu Hans Arp inspirierten.
Die Erfahrung naturnaher Stille und Konzentration setzte sich auch fort, als Legros 1970 die Farbe wieder einführte und nach einer Phase, in der zahlreiche Collagen und Blätter in Pochoir-Technik entstanden, an der Werkgruppe der auf wenige horizontale Farbbänder heruntergebrochenen «Toiles à bandes» (1974–1975) zu arbeiten begann. Formal wie auch hinsichtlich ihrer Titel sind diese Werke die abstraktesten des Künstlers, verbinden sie doch die ihm wichtige Vorstellung der Farbenergie mit dem Streben nach einem elementaren Vokabular. Der konstruktiv-geometrischen Kunst sind sie dagegen höchstens äusserlich verwandt, und auch mit dem amerikanischen Hard Edge und Color Field haben sie kaum etwas zu tun – trotz Legros’ zeitgleicher Beschäftigung mit Barnett Newman, Ad Reinhardt und Ellsworth Kelly. Vielmehr stehen sie in der Nachfolge des späten Henri Matisse, denn in ihrer klaren, flächigen Farbigkeit und ruhigen Horizontalität sublimieren die Streifen die Erinnerung des Künstlers an reale, von ihm seit den 1940er-Jahren immer wieder aufgesuchte Landstriche, insbesondere an die moorreiche Sologne sowie an die endlosen Kornfelder der Touraine und der Beauce.
Astrid Näff