Tobias Putrih (1972, Kranj, SI) sagt, er habe kein normales Atelier, sondern eine Tasche mit seinem Computer, Zeichenblöcke und eine Werkbank, die er gelegentlich für den Bau von Modellen nutze. Das klingt nach Leichtigkeit und Beweglichkeit, nach dem konsequenten Verzicht auf den Ballast einer Kunstproduktion, die an ein Medium gebunden und auf die Anlage stetig wachsender Materialsammlungen aus ist. Und tatsächlich spiegeln die Arbeiten Putrihs genau diese Leichtigkeit und Beweglichkeit wider. Sie feiern das Experiment, das Temporäre und Flüchtige, das Provisorium, die fragile Balance, das Spiel, das Modell, die Vision.
Putrih studierte Physik, bevor er in Ljubljana ein Kunststudium aufnahm und nach seinem Abschluss 1997 ein weiteres Jahr an der Kunstakademie Düsseldorf anhängte. Die Faszination für (physikalische) Versuchsanordnungen jedoch ist geblieben; seine Installationen verwandeln den jeweils gegebenen Raum in eine visionäre Architektur, in ein ephemeres Gehäuse aus modularen, teils von den Besuchern modifizierbaren Elementen, die schon in ihrer Materialität jeden hehren Anspruch auf Ewigkeit unterwandern: Der Künstler baut seine Objekte vornehmlich aus Karton und Papier, Styropor und Sperrholz, und er kombiniert sie häufig mit Videoprojektionen, Licht und Sound.
«After Frei Otto» heisst eine 2010 entstandene Arbeit, die Putrihs prozessorientiertes Spiel mit der Vergänglichkeit exemplarisch veranschaulicht: Er lässt ein mit Baumwolle umwickeltes Drahtskelett in ein Behältnis mit Seifenlauge eintauchen und verleiht ihm so eine schillernde Aussenhaut, einen skulpturalen Charakter von denkbar kurzer Lebensdauer. Der deutsche Architekt Frei Otto (1925–2015) simulierte seine spektakulären, zeltartigen Dachkonstruktionen auf die gleiche Weise. Der freie Rekurs auf Utopien und Modelle wegweisender Architekten und Künstler aus dem 20. Jahrhundert ist kennzeichnend für die künstlerischen Strategien Putrihs. In seiner Ausstellung «Solar Limb» 2014 im Museum Haus Konstruktiv präsentierte er eine gleichnamige Videoinstallation, die auf die erste futuristische Oper «Sieg über die Sonne» von 1913 Bezug nahm, in der der Versuch unternommen wird, die Sonne einzufangen. Kasimir Malewitsch, der Maler des berühmten «Schwarzen Quadrates», der die Sichtbarmachung des Nichtsichtbaren anstrebte, hatte an Lichtregie, Kostümgestaltung und Bühnenbild der Oper mitgewirkt.
Um das Einfangen des Lichts und die Grenzen zwischen Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit kreist auch Putrihs umfangreiche Werkgruppe der «Macula»-Skulpturen, die ebenfalls in der Ausstellung gezeigt wurden. Die etwas übermannshohen Kartonsäulen, die in unterschiedlichem Durchmesser ein freibleibendes Zentrum umschliessen, sind transluzent und erzeugen dank ihrer zarten Struktur einen Moiré-Effekt. Befragt nach dem, was seine vielfältigen Arbeiten aus seiner Sicht verbinde, antwortete Putrih 2014, es sei die Suche danach, ein Gleichgewicht zwischen der Existenz eines Objekts und dem Zeitpunkt seines Zusammenbruchs zu finden. «Es ist ein sehr schmaler Grat, und meine These lautet, dass dieses heikle Moment die Objekte zum Leben erweckt.»
Britta Schröder