Eine faszinierende Stimmung geht von den Computeranimationen des Schweizer Künstlers Yves Netzhammer aus (1970, Schaffhausen, CH): Nahezu traumwandlerisch bewegen sich seine Figuren – Menschen, Tiere, Insekten – durch surreale Kulissen. Ihre Gliederpuppen-Körper erscheinen ebenso glatt und steril wie die Oberflächen der spärlich ausgestatteten, bühnenartig beleuchteten Räume, in denen sie miteinander oder mit einem Gegenstand agieren. Die Handlungen dieser gesichts- und geschlechtslosen Figuren bleiben meist geräuschlos, als befänden sie sich in einem Vakuum, das jeden Ton verschluckt. Der digitale Soundtrack, mit dem Netzhammer seine Animationen unterlegt – mal sphärisch und hallend, mal schneidend wie Glas oder sirrend und knisternd wie eine Hochspannungsleitung – trägt zur besonderen Wirkung der Filme bei: Es vermittelt sich darin ein Gefühl der Fremdheit, der Entrücktheit und des Unbehagens, dem man sich ebenso wenig entziehen kann wie einem nächtlichen Traum. Netzhammer entlässt seine Figuren nicht aus ihren verstörenden, mitunter absurd vergeblichen, mitunter auch erschreckend brutalen Handlungen, und uns als Betrachterinnen und Betrachter fesselt er, indem er uns eine Welt vor Augen führt, die aufgrund ihrer Modellhaftigkeit genügend Spielraum lässt für individuelle (Traum-) Projektionen.
Netzhammer, der in Zürich Visuelle Gestaltung studiert hat, zeigt seine oft mehrteiligen Videoprojektionen in Kombination mit Objekten und Wandbildern, die Elemente des virtuellen Raumes aufnehmen und diesen so in den realen Raum überführen. Auf der 52. Biennale von Venedig 2007 bespielte er den Schweizer Pavillon mit einer architekturbezogenen Installation, die die Besucher und Besucherinnen ganz in seine Bildwelt eintauchen liess.
Auch im Museum Haus Konstruktiv hat der Künstler eine Bühne für seine Filme geschaffen: Die Arbeit «Das Kind der Säge ist das Brett» wurde hier 2016 in der Ausstellung «Um die Ecke denken» präsentiert, als zeitgenössische Antwort auf die konstruktiv-konkrete Kunst. Hervorgegangen ist sie aus Netzhammers Teilnahme an der Kiew Biennale 2015, in der sich der Künstler erstmals in einem Werk mit dem russischen Konstruktivismus auseinandersetzte. Im Museum führte Netzhammer das – buchstäblich in eine Schaubude eingebaute – Videotriptychon mit einem raumfüllenden Geflecht aus schwarz-weissen Latten und einer Auswahl von Sammlungswerken zusammen, darunter Gemälde von Roman Clemens, Jean Gorin und Italo Primi. Zwischen diesen Bildern zeigte er direkt auf die Wand aufgetragene schwarze Elementarformen – überwiegend Rechtecke, die unmittelbar an das berühmte «Schwarze Quadrat» von Kasimir Malewitsch denken lassen. Referenzen an das formalästhetische Vokabular der frühen Konstruktivisten enthält auch die buntfarbige Präsentation der Videos, die ihrerseits zahlreiche Assoziationen aufrufen: Von der Slapstick-Kunst eines Buster Keaton bis hin zu Tattoos, die die soziale Hierarchie russischer Gefängnisinsassen und die politische Situation der Ukraine symbolisieren – eine Figuren- und Formenwelt in stetem Wandel, bildstark und reich an Anspielungen.
Britta Schröder