Anlässlich seines 30-jährigen Bestehens verwirklicht das Museum Haus Konstruktiv ein ganz besonderes Projekt, das ein Kernstück der Sammlung – Fritz Glarners permanent ausgestellter «Rockefeller Dining Room» (1963/1964) – seiner ursprünglichen Bestimmung näherbringt. Der bekannte, 1964 in Argentinien geborene und in Zürich lebende Designer Alfredo Häberli wurde dazu eingeladen, ein neues Interieur für den «Rockefeller Dining Room» zu entwerfen, um Glarners raumspezifische Arbeit wieder im Kontext eines Esszimmers erfahrbar zu machen.
Häberlis zeitgemässe Gestaltung greift dabei nicht die damaligen Ausstattungselemente der Rockefellers auf, sondern ist auf die heutige museale Situation und die historische Raumkulisse abgestimmt. Entstanden sind ein Esstisch, Stühle, ein eigens gefertigter Teppich, Vorhänge und ein neues Beleuchtungssystem.
Schenkung von
Paul Büchi Stiftung
kuratiert von
Sabine Schaschl
Fritz Glarner (1899 Zürich – 1972 Locarno), der zum erweiterten Kreis der Zürcher Konkreten zählt, übersiedelte 1936 nach New York. Er blieb von Amerika aus mit seinen Künstlerfreunden in Europa in Kontakt, allen voran Max Bill. In New York bewegte er sich vorwiegend im Umfeld der europäisch-amerikanischen Moderne und nahm ab 1938 als Mitglied der AAA («American Abstract Artists») an deren Ausstellungen und Symposien teil.
Eine enge Freundschaft unterhielt er mit Piet Mondrian, der 1940 in New York eintraf. Glarner wurde zu einer zentralen Figur der amerikanischen Avantgarde; er war als Dozent tätig, auf zahlreichen internationalen Ausstellungen vertreten und genoss die Achtung der amerikanischen und europäischen Kunstszene. Durch die Vermittlung des Architekten Wallace K. Harrison wurde er mit vier bedeutenden Kunstam-Bau-Aufträgen betraut: dem Wandbild für das Time & Life Building New York (1958/1960), dem Wandbild für die Dag-Hammarskjöld-Bibliothek im UNO-Hauptsitz in New York (1961/1962), dem «Rockefeller Dining Room» (1963/1964) und dem Wandbild für das Gerichtsgebäude des Staates New York in Albany, N.Y. (1967/1968).
Fritz Glarner komponierte das Esszimmer in der New Yorker Stadtwohnung des Ehepaars Nelson A. Rockefeller als eine Art begehbares Bild, zusammengesetzt aus mehreren einzelnen Leinwänden an den Wänden und an der Decke.
Dabei folgte er seinem in den 1940er Jahren entwickelten Konzept des «Relational Painting», das die komplexen Beziehungen zwischen den Farben (den Primärfarben Rot, Blau und Gelb sowie Schwarz, Weiss und Grau), die Interaktion der Formen sowie die harmonischrhythmischen Relationen von Farbe und Form in den Fokus rückt.
Heute zählt der «Rockefeller Dining Room» zu den wichtigsten erhaltenen ganzheitlichen Raumgestaltungen der Moderne im weiteren Umfeld von De Stijl und Bauhaus. Der «Rockefeller Dining Room» verblieb rund 20 Jahre lang an Ort und Stelle. In den 1980er Jahren wurde er zum Verkauf angeboten. Dank der Paul Büchi-Stiftung, Frauenfeld, konnte dieses Hauptwerk Glarners für das Museum Haus Konstruktiv erworben und somit eine der wesentlichen konstruktiven Raumgestaltungen als Gesamtheit im Original erhalten werden. Seit 2008 wird das Herzstück der Sammlung permanent im 4. Stock des Museums präsentiert.
Statt von der seinerzeit vom Bauherrn selbst gewählten Möblierung des Speisezimmers auszugehen, gestaltete Alfredo Häberli in fein nuancierten Grautönen gehaltene Ausstattungselemente, die subtile Bezüge zur Malerei Glarners aufweisen. So wirken die ergonomischen Drahtstühle wie filigrane Zeichnungen im Raum, deren Farb- und Formgebung die rhythmisch-linearen Flächenteilungen der Leinwände aufgreift und in die dritte Dimension überführt. Die gläserne Oberfläche des Tisches spiegelt, unterstreicht und erweitert das All-over der Wand- und Deckenmalerei. Die in Kooperation mit der dänischen Firma Kvadrat produzierten textilen Bestandteile wie Vorhänge und Stuhlpolster steigern die Wohnlichkeit des Esszimmers. Die Vorhänge, die ebenso wie der Teppich zu einer Verbesserung der Raumakustik beitragen, setzen eine klare Abgrenzung zur Malerei und bringen sie wie die Beleuchtung hervorragend zur Geltung.
Alfredo Häberlis behutsamer Umgang mit der konstruktiv-konkreten Raumkulisse inszeniert den «Rockefeller Dining Room» wieder als solchen, ohne seine Ästhetik zu verändern. Nicht die Rekonstruktion der Einrichtung, die das Ehepaar Nelson A. Rockefeller ausgewählt hatte, stand bei diesem Projekt im Vordergrund, sondern eine Neugestaltung unter Berücksichtigung von Glarners Raumkonzept.
Museum Haus Konstruktiv wird unterstützt von seinen Gönner:innen, Mitgliedern und